Über Jens Coldewey

Ich bin freier Berater in München, spezialisiert auf agile Sofwareentwicklung. Weitere Informationen erhalten Sie auf meiner Homepage http://www.coldewey.com. Als Mitglied der Agile Project Management Practice des Cutter Consortiums (http://www.cutter.com) beteilige ich mich zudem am Cutter Blog: http://blog.cutter.com

Gedanken zur Ressourcenplanung

Gestern hat Siemens eine Gewinnwarnung über 900 Mio Euro veröffentlicht. „In der Vergangenheit habe man sich mit Großaufträgen übernommen und mehr Aufträge angenommen, als der Konzern abarbeiten konnte“ berichtet die Süddeutsche Zeitung in ihrer heutigen Ausgabe über ein wichtige Ursache für die Warnung (SZ vom 18.3.2008, S. 19). Sich mit Aufträgen zu übernehmen gehört sicher zu den häufigsten Managementfehlern in Unternehmen jeder Größe. „Droht“ ein Kunde mit einem Auftrag und stellt auch noch Bezahlung dafür in Aussicht, ist die Versuchung groß, sich die internen Kapazitäten und ihre Auslastung schön zu rechnen. Trifft das auf eine Kultur, in der Risikobewusstsein als mangelnde Einsatzbereitschaft fehlgedeutet wird („Das müssen Sie als Chance begreifen“) und wird der Vertrieb mit Provisionen „motiviert“, die ignorieren, ob das Verkaufte auch geliefert werden kann, ist die Katastrophe schon fast vorprogrammiert.

Wer Software erstellt, kann agile Planung einsetzen, um dieses Risiko zu vermindern: Weiterlesen

Praktiken II: Automatisierte Akzeptanztests

Nach längerer Zeit nun der zweite Teil meiner Serie über agile Prakitken. Bisher finden Sie in dieser Kategorie die folgenden Einträge:

Der zweite Teil beschäftigt sich mit automatisierten Akzeptanztests:

Auch agile Entwicklung startet mit den fachlichen Anforderungen. Allerdings werden sie direkt als Akzeptanztests aufgeschrieben, statt in Anforderungsdokumenten. Akzeptanztests sind fachliche Beschreibungen dessen, was das System können soll und zwar so, dass sie automatisch ausgeführt werden können. Automatisch ausführbare Tests steuern die Anwendung und überprüfen deren Ergebnisse ohne menschlichen Eingriff. Der Weg zu diesen Akzeptanztests ist noch eher uneinheitlich, man geht aber in der Regel von den geplanten geschäftlichen Abläufen aus (siehe dazu auch „Use Cases oder User Stories„).

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Ideen zu Mini-Retrospektiven

Nicht immer ist eine vollständige Retrospektive das Mittel der Wahl: Der Aufwand ist beträchtlich und daher oft zu groß, um jeden Monat eine Retrospektive zu machen. Ilja Preuß stellt in seinem Blog-Eintrag A Lightweight Appreciative Retrospection eine Kurzvariante vor, die mit wenigen Stunden auskommt. Ich habe diese Variante selbst noch weder erlebt, noch ausprobiert, die Beschreibung klingt aber vielversprechend.

Natürlich ersetzt eine Mini-Retrospektive keine „große Retrospektive“ in regelmäßigen Abständen, aber für kleine Projekte, oder als „Zwischen-Retro“ ist sie durchaus eine Überlegung wert.

ReFit: Refaktorisieren von Akzeptanztests

Johannes Link hat einen Werkzeugsatz geschrieben, mit dem man größere Mengen an FitNesse-Seiten umstellen und Refaktorisieren kann. Derzeit präsentiert sich ReFit, wie er das Werkzeug nennt, recht spartanisch als Groovy-Konsole, Johannes hat mir aber versichert, dass er jeden unterstützt, der Lust hat, dazu eine schicke grafische Oberfläche zu schreiben. Im Projekt verwendbar ist ReFit jetzt schon, zumindest wenn die Entwickler sich noch nicht auf die Maus beschränken, sondern noch mit der Tastatur umzugehen wissen…

Weitere Informationen und Links finden Sie auf Johannes Links Blog unter dem Titel Refactoring FitNesse Tests.

Verbreitung agiler Entwicklung

Nach einer aktuellen Umfrage des Web-Magazins Methods&Tools haben nur noch 13% der befragten Orgnisationen nichts von agiler Entwicklung gehört. 17% der Unternehmen setzen mindstens eine agile Methode in allen neuen Projekten ein, während 56% der Organisationen in verschiedenem Umfang zumindest mit agilen Praktiken experimentieren. Verglichen mit dem Jahr 2005 bedeutet das, dass fast doppelt so viele Unternehmen Agilität vollständig einsetzen, die „Exprimentierquote“ ist von 41% auf 56% gestiegen.

Das korrelliert gut mit Zahlen der TU München, die ebenfalls herausgefunden hat, dass in 16% der deutschen Unternehmen Agilität eingesetzt wird.

Ich denke, hier kann man die zunehmende Bedeutung des Themas für die Industrie erkennen. Noch ist das Fenster offen, in dem sich Unternehmen über den Einsatz agiler Praktiken am Markt differenzieren können, weil sie schneller und billiger bessere Software ausliefern, als die Mitbewerber. Ich bin davon überzeugt, dass jene Firmen, die diese Möglichkeit in den nächsten Jahren verstreichen lassen, in wenigen Jahren so unter Druck geraten, dass sie entweder ohne weiteren Marktvorteil gezwungener Maßen umstellen müssen, oder vom Markt verschwinden.

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Karlruhe stoppt NRW-Trojaner

Es gibt es also doch noch: Das Verfassungsorgan, das Grundrechte und Privatsphäre nicht nur als lästige Behinderung sieht, sondern ihre Rolle als Fundament unserer Gesellschaft respektiert. Leider sitzen diese Protagonisten nicht (auch) in der Exekutive und einer manchmal erstaunlich willfährigen Legislative, sondern nur noch in der Judikative.

Das Meiste zu dieser aktuellen Entscheidung des Verfassungsgerichts ist bereits geschrieben worden. Spannend ist meines Erachtens noch der Absatz 281 des Urteils. Dort heißt es:

Die gesetzliche Regelung hat darauf hinzuwirken, dass die Erhebung kernbereichsrelevanter Daten soweit wie informationstechnisch und ermittlungstechnisch möglich unterbleibt […] Gibt es im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine bestimmte Datenerhebung den Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren wird, so hat sie grundsätzlich zu unterbleiben.

Ich bin nur juristischer Laie, hoffe aber, dass das Gericht hier bereits seine Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung vorbereitet hat: Stellt es fest, dass Daten wie Aufenthaltsort und Web-Verbindungen den „Kernbereich der Lebensführung“ betreffen – woran ich keinen Zweifel habe -, so ist die größte Spitzelaktion seit der Stasi Geschichte.

Das heutige Urteil hat das Vertrauen in unsere Demokratie einmal wieder gestärkt, das von populistischen Politikern in letzter Zeit arg gebeutelt wurde. Es wird nun Zeit, auch über Rücktritte nachzudenken.

PS: Sehr lesenswert ist auch die Pressemitteilung des Verfassungsgerichts zu dem Urteil!

Eigentlich bin ich fertig…

…ich muss nur noch…

Das ist eine meiner Lieblingsfloskeln in Standup Meetings. Was wollen uns diese Worte sagen? Eigentlich kann man „eigentlich“ (fast) immer durch „nicht“ ersetzen. Der Kollege ist halt noch nicht fertig, möchte das aber nicht in dieser Klarheit sagen. Warum eigentlich nicht? Um dem Team klare Kommunikation zu erleichtern, übersetze ich eine solche Aussage meistens: „Ich bin nicht fertig, weil ich noch…“.

Das ist ehrlicher sich selbst gegenüber und dem Team gegenüber. Und es zeigt klar, wo eventuelle Probleme liegen statt es hinter vernebelndem Wortgeklingel zu verstecken.

Die Planung in der Tasche haben

Ein immer wiederkehrendes Problem bei agiler Planung ist die Menge an Karten, mit denen man jonglieren muss. In einem Monat sind vielleicht zehn, fünfzehn oder mehr Stories geplant, zu einer Story können leicht fünf oder sechs Aufgaben entstehen und der Platz auf einer Pinwand ist beschränkt.

Eine nette Lösung für das Problem hat Johannes Stark entwickelt, der in einem von mir betreuten Team mitarbeitet:

Tasche für die Planung Aus transparenten Hüllen und ein wenig Klebeband werden Taschen gebastelt, in welche die Karten für die User Story und alle noch ungeplanten Aufgaben gesteckt werden. Die Taschen hängen in der Reihenfolge ihrer Priorität an der Pinwand. Zur Wochenplanung werden dann die Aufgaben nach der Reihenfolge ihrer Priorität aus den Taschen genommen und auf eine zweite Pinwand gehängt, bis die Wasserlinie erreicht ist. Überzählige Aufgaben wandern wieder zurück in die Taschen.

Fallen unter der Woche neue Aufgaben an, so werden sie in die Taschen der zugehörigen User Story gesteckt und bei der nächsten Wochenplanung berücksichtigt. Ist eine Tasche leer und die Aufgaben abgearbeitet, so ist die User Story erledigt – vorausgesetzt natürlich, die Tests laufen.

Sieben Jahre Agiles Manifest

Diese Woche hat sich die Formulierung des agilen Manifests zum siebten Mal gejährt: Zwischen dem 11. und 13.2.2001 trafen sich 17 Protagonisten der nordamerikanischen agilen Szene – damals noch unter dem Schlagwort „Lightweight Processes“ bekannt – um sich über Gemeinsamkeiten und Konflikte auszutauschen. Unter Ihnen Kent Beck, Ward Cunningham, Martin Fowler, Ken Schwaber, Dave Thomas, Jim Highsmith und Brian Marick.

Was als private Veranstaltung geplant war, entpuppte sich zum Startschuss einer Bewegung, deren Einfluss auf unsere Branche bis heute nicht abschätzbar ist. Nach aktuellen Untersuchung arbeiten heute bis zu 50% der amerikanischen Unternehmen ganz oder teilweise mit agilen Verfahren, in Deutschland lag die Quote im letzten Jahr bei 16% – Tendenz zunehmend. Wenige andere Ideen haben unsere Branche so tiefgreifend verändert.

Das agile Manifest ist vereinfachend und polarisierend und zieht daraus seine Macht. „Wenn Du Werte beschreiben willst, geht das nur, wenn Du sagst, was Du im Konfliktfall statt ihrer opfern würdest,“ hat mir Martin Fowler einmal vor ein paar Jahren erklärt. „Sonst bieten die Werte keine Handlungshilfe und Du landest dabei, dass es schön wäre, wenn wir uns alle lieb hätten.“ Das Manifest polarisiert also, weil es eine Entscheidungshilfe im Konfliktfall sein soll. Aber die Polarisierung schützt auch vor Mitläufern, die sich um die Gedanken hinter agiler Entwicklung nicht scheren, sondern nur mit dem nächsten Hype schnelles Geld machen wollen. Es ist ein wichtiger Verdienst der agilen Bewegung, solche Tendenzen bisher weitgehend marginalisiert zu haben.

Heute haben sich manche der damaligen Protagonisten zurück gezogen. Das Erbe des agilen Manifests wird von der Agile Alliance Non-Profit Organization (AANPO) „verwaltet“, die sich nach wie vor bemüht, unterschiedliche Bestrebungen konstruktiv zusammen zu halten. Ich erinnere mich noch gut an die vielen zum Teil sehr emotionalen Telefonate während meiner Zeit im Vorstand der AANPO, als ich dazu auserkoren worden war, den Tendenzen zur Zersplitterung der Konferenzlandschaft entgegen zu arbeiten; ein Vorhaben, das schließlich zur Gründung der Agile Konferenzen geführt hat. Auch der heutige Vorstand leistet viel unbezahlte Hintergrundarbeit, um die agile Bewegung trotz aller fruchtbaren Unterschiede zusammen zu halten.

Ich persönlich glaube, dass wir in zwanzig Jahren agile Entwicklung betrachten werden, wie heute strukturierte Programmierung: Man redet nicht darüber, man macht es einfach, weil es Stand der Kunst ist.

Wir werden sehen…

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Seminar Refaktorisieren in München

Am 5. und 6. März gebe ich in Zusammenarbeit mit SIGS Datacom ein zweitägiges Seminar zu Refaktorisieren in München. Nach einer wirklich kurzen Einführung können Sie in dem Seminar erleben, wie Sie mit Hilfe kleinster, sicherer Schritte zunächst völlig unverständlichem Code in eine lesbare Variante umformen, um sie dann in Richtung einer neuen Architektur weiter zu entwickeln. Natürlich werden wir auch mögliche Rollen von Refaktorisieren im Projekt diskutieren, emergente Archtiekturen ansprechen und bei Bedarf ein wenig Richtung testgetriebene Entwicklung schauen.

Im Gegensatz zu manchen anderen Seminaren zum Refaktorisieren werde ich keine drögen Transformationskapitel abarbeiten, sondern lege Wert darauf, dass die Teilnehmer Strategien des Refaktorisierens verstehen und eintrainieren. Das macht nicht nur mehr Spaß, sondern bildet vor allem das Rüstzeug für die eigene Weiterbildung.

Zielgruppe sind Entwickler, Architekten und Projektleiter. Ein paar Grundkenntnisse mit Java und Eclipse sind hilfreich und Sie sollten keine Angst vor dem Programmieren haben. Sie brauchen Sie einen Laptop mit Windows XP (oder einer Windows XP VM), die restliche Software erhalten Sie während des Seminars. Anmelden können Sie sich auf der Semniarseite von SIGS Datacom.