Diese Woche hat sich die Formulierung des agilen Manifests zum siebten Mal gejährt: Zwischen dem 11. und 13.2.2001 trafen sich 17 Protagonisten der nordamerikanischen agilen Szene – damals noch unter dem Schlagwort „Lightweight Processes“ bekannt – um sich über Gemeinsamkeiten und Konflikte auszutauschen. Unter Ihnen Kent Beck, Ward Cunningham, Martin Fowler, Ken Schwaber, Dave Thomas, Jim Highsmith und Brian Marick.
Was als private Veranstaltung geplant war, entpuppte sich zum Startschuss einer Bewegung, deren Einfluss auf unsere Branche bis heute nicht abschätzbar ist. Nach aktuellen Untersuchung arbeiten heute bis zu 50% der amerikanischen Unternehmen ganz oder teilweise mit agilen Verfahren, in Deutschland lag die Quote im letzten Jahr bei 16% – Tendenz zunehmend. Wenige andere Ideen haben unsere Branche so tiefgreifend verändert.
Das agile Manifest ist vereinfachend und polarisierend und zieht daraus seine Macht. „Wenn Du Werte beschreiben willst, geht das nur, wenn Du sagst, was Du im Konfliktfall statt ihrer opfern würdest,“ hat mir Martin Fowler einmal vor ein paar Jahren erklärt. „Sonst bieten die Werte keine Handlungshilfe und Du landest dabei, dass es schön wäre, wenn wir uns alle lieb hätten.“ Das Manifest polarisiert also, weil es eine Entscheidungshilfe im Konfliktfall sein soll. Aber die Polarisierung schützt auch vor Mitläufern, die sich um die Gedanken hinter agiler Entwicklung nicht scheren, sondern nur mit dem nächsten Hype schnelles Geld machen wollen. Es ist ein wichtiger Verdienst der agilen Bewegung, solche Tendenzen bisher weitgehend marginalisiert zu haben.
Heute haben sich manche der damaligen Protagonisten zurück gezogen. Das Erbe des agilen Manifests wird von der Agile Alliance Non-Profit Organization (AANPO) „verwaltet“, die sich nach wie vor bemüht, unterschiedliche Bestrebungen konstruktiv zusammen zu halten. Ich erinnere mich noch gut an die vielen zum Teil sehr emotionalen Telefonate während meiner Zeit im Vorstand der AANPO, als ich dazu auserkoren worden war, den Tendenzen zur Zersplitterung der Konferenzlandschaft entgegen zu arbeiten; ein Vorhaben, das schließlich zur Gründung der Agile Konferenzen geführt hat. Auch der heutige Vorstand leistet viel unbezahlte Hintergrundarbeit, um die agile Bewegung trotz aller fruchtbaren Unterschiede zusammen zu halten.
Ich persönlich glaube, dass wir in zwanzig Jahren agile Entwicklung betrachten werden, wie heute strukturierte Programmierung: Man redet nicht darüber, man macht es einfach, weil es Stand der Kunst ist.
Wir werden sehen…
Wenn Du Werte beschreiben willst, geht das nur, wenn Du sagst, was Du im Konfliktfall statt ihrer opfern würdest, hat mir Martin Fowler einmal vor ein paar Jahren erklärt. Sonst bieten die Werte keine Handlungshilfe und Du landest dabei, dass es schön wäre, wenn wir uns alle lieb hätten.
Sehr interessante Sichtweise. So ist mir das noch gar nicht aufgegangen. Das Agile Manifest beinhaltet tatsächlich die Werte in der Form „value a over value b“, und man würde im Konfliktfalle tatsächlich value b dem value a opfern – oder man hätte eine gute Diskussionsgrundlage á la „Da sind wir uns bei den Werten anscheinend doch noch nicht so einig und sollten darüber reden!“.
Warum sind die Werte von z.B. XP und Scrum nicht in dieser Form gehalten? Gab’s dafür einen guten Grund?
Da kann ich nur spekulieren: Vielleicht weil Martin Fowler zwar bei der Formulierung des Manifests dabei war, aber nicht bei XP oder Scrum, deren Formulierungen vor 2001 waren?