Gedanken zur Ressourcenplanung

Gestern hat Siemens eine Gewinnwarnung über 900 Mio Euro veröffentlicht. „In der Vergangenheit habe man sich mit Großaufträgen übernommen und mehr Aufträge angenommen, als der Konzern abarbeiten konnte“ berichtet die Süddeutsche Zeitung in ihrer heutigen Ausgabe über ein wichtige Ursache für die Warnung (SZ vom 18.3.2008, S. 19). Sich mit Aufträgen zu übernehmen gehört sicher zu den häufigsten Managementfehlern in Unternehmen jeder Größe. „Droht“ ein Kunde mit einem Auftrag und stellt auch noch Bezahlung dafür in Aussicht, ist die Versuchung groß, sich die internen Kapazitäten und ihre Auslastung schön zu rechnen. Trifft das auf eine Kultur, in der Risikobewusstsein als mangelnde Einsatzbereitschaft fehlgedeutet wird („Das müssen Sie als Chance begreifen“) und wird der Vertrieb mit Provisionen „motiviert“, die ignorieren, ob das Verkaufte auch geliefert werden kann, ist die Katastrophe schon fast vorprogrammiert.

Wer Software erstellt, kann agile Planung einsetzen, um dieses Risiko zu vermindern: Erfasst man Planungen über einen längeren Zeitraum statistisch, kann man nicht nur recht genaue Schätzungen produzieren, sondern auch eine Bandbreite angeben, in der sich der reale Aufwand vermutlich befinden wird. Damit sind Aussagen möglich wie „mit 50%-iger Wahrscheinlichkeit wird der Aufwand zwischen x und y liegen“. Zudem senkt das iterative Vorgehen das Risiko böser Überraschungen und gibt dem Vertrieb wie dem Management zusätzliche Dispositionsmasse.

Ein paar Schattenseiten hat agile Planung dennoch. Erstens ist sie wenig geeignet, Großkraftwerke zu bauen. Die Grundidee agiler Entwicklung ist die Erkenntnis, dass Software änderbar gehalten werden kann — das ist nicht unbedingt die hervorstechendste Eigenschaft großer Fabriken. Von der Schätzkultur agiler Teams können aber auch solche Vorhaben profitieren.

Zum zweiten genügt ein Schätzverfahren nicht, um organisatorische und kulturelle Defizite zu beheben. Wenn den Vertriebsleiter die „Meinung irgendwelcher Techis“ nicht interessiert, hilft es wenig, ihm bessere Daten zum Ignorieren zu geben. Hier hilft nur ein grundsätzlicher Kulturwandel und gegenseitige Wertschätzung.

Drittens stellt verbesserte Transparenz für das verantwortliche Management eine Gefahr dar: Es kann nun nicht mehr behaupten, von nichts gewusst zu haben. Wer frei nach dem Motto „wird schon gut gehen“ die Auftragsannahme noch viel bunter treibt, als Siemens dies vermutlich getan hat, kann im Ernstfall durchaus erleben, dass sich zur Insolvenzverwalterin auch noch der Staatsanwalt gesellt: Für Leistungsbetrug hält §263 des StGB bis zu fünf Jahre Haft bereit. Wer dem vorbeugen will, sollte seine Sorgfaltspflicht bei Schätzungen, Angeboten und Ressourcenplanung ernst nehmen.