Über Jens Coldewey

Ich bin freier Berater in München, spezialisiert auf agile Sofwareentwicklung. Weitere Informationen erhalten Sie auf meiner Homepage http://www.coldewey.com. Als Mitglied der Agile Project Management Practice des Cutter Consortiums (http://www.cutter.com) beteilige ich mich zudem am Cutter Blog: http://blog.cutter.com

XPDays in Hamburg: Eintägiger Workshop „Agilität erleben“

Ich freue mich, im November gemeinsam mit Bernd Schiffer und Henning Wolf von it-agile im Rahmen der XP Days in Hamburg einen eintägigen Workshop „Agilität erleben“ anbieten zu können. Der Workshop ist vor allem für jene gedacht, die sich Agilität bisher eher vorsichtig genährt haben, oder sich nur aus Büchern, Zeitschriften und Blogs informiert haben und nun „gefahrlose Praxis“ suchen; und für jene, die bisher nur agile Entwicklungspraktiken einsetzen und jetzt ihre Leistung auch „auf die Straße“ bringen wollen.

Einen Tag lang haben Sie die Gelegenheit, die wichtigsten Praktiken agiler Teamarbeit und agilen Projektmanagements am eigenen Leib zu erleben – in einer „Entwicklungsumgebung“, die Sie unter Garantie beherrschen. Wir haben den Tag vollständig powerpointfrei gestaltet, schließlich sollen Sie Agilität erleben und nicht von uns überredet werden.

Was werden Sie erleben?

  • Agile Planung
  • Agiles Anforderungsmanagement
  • Querschnittsteams vom Fachexperten bis zum Tester
  • Entwicklung nach Nutzen
  • Agiles Controlling
  • Retrospektiven

Innerhalb eines Tages kann man natürlich nicht nach den Sternen greifen, aber wir versprechen Ihnen ein paar bleibende Eindrücke — und dass wir garantiert innerhalb unseres Sonnensystems bleiben…

Der Workshop findet am Donnerstag, 27.November 2008 in Hamburg statt. Weitere Informationen und die Anmeldung finden Sie auf den Webseiten der XP Days 2008: http://www.xpdays.de/2008/sessions/praxis_erleben.html. Frühzeitige Anmeldung lohnt sich: Die Teilnehmerzahl ist begrenzt!

PS: Wer Ende November keine Zeit hat, nach Hamburg zu kommen, oder keinen Platz mehr bekommet, hat im Januar auf der OOP 2009 in München noch eine zweite Gelegenheit. Ich werde den Workshop separat ankündigen, sobald das OOP-Programm veröffentlicht ist.

Gunter Dueck über den Stand der Kunst

Gunter Dueck hat an seinen neuesten News das folgende PS angehängt:

Der Homo Oec. soll als nächstes in Koreanisch erscheinen. Ich war verwundert. Warum gerade…? Antwort: Die Koreaner sind „immer“ die ersten mit dem Übersetzen, weil die Fachleute dort einfach immer genau den state-of-the-art wissen wollen. Sehen Sie die Unterschiede zu den neuen Kulturen?

Dueck legt hier meiner Ansicht nach den Finger in eine unserer gefährlichsten Wunden: Es ist nicht Teil unserer Kultur, immer vorne dabei sein zu wollen, sich immer auf dem Stand der Kunst zu sein. Statt dessen verfolgt jede Generation das jeweilige Dogma ihrer Jugend bis zur Rente – oder Emeritierung. Das hat sein gutes, weil es viel Zeit lässt, die Dinge wirklich zu verstehen. Das Problem ist dabei nur die mangelnde Selbstkritik, die es anderen erlaubt, uns zu überholen. Der Dogmatismus, der sich wirksam darum kümmert, dass die Jüngeren einen nicht überholen. Und der simple Umstand, dass wir so unsere führende Position am Weltmarkt verspielen, auf der unser Wohlstand und der unserer Kinder aufbaut.

Erinnern Sie mich bitte an diesen Blog-Eintrag, wenn ich im Jahre 2031 meinen Beitrag „Agile Entwicklung — Warum wir damals schon Recht hatten und alles neuere Mist ist“ einreiche…

Videocast zu Einführung agiler Entwicklung

Am Rande der OOP 2008 hat mich Damir Tomicic für die Microsoft Architects Connection zur Einführung agiler Entwicklung interviewt. Das Interview ist jetzt als 30-minütiges Videocast verfügbar:

Einführung agiler Entwicklung – Ein Resümee aus 10 Jahren Erfahrung.

Weitere Interviews mit anderen Referenten finden Sie in der OOP 2008 Nachlese der MAC.

Jazz nur in „Mini-Fassung“ frei verfügbar

Ich hatte im Januar schon einmal kurz über Jazz geschrieben („Jazz ist nun doch frei verfügbar„), damals in der Hoffnung, IBM würde bei Jazz eine ähnliche Politik verfolgen, wie bei Eclipse und die Projektmanagement-Plattform frei zur Verfügung stellen. Die erste offizielle Version ist jetzt unter dem Namen „Rational Team Concert 1.0“ verfügbar (http://www.jazz.net) und leider hat sich IBM nicht zu dem Schritt durchringen können, die Software mit einer freien Lizenz bereit zu stellen. Immerhin gibt es kostenlose Lizenzen für Open-Source Projekte und akademischen Einsatz. Und es gibt für ganz kleine Teams von höchstens drei Personen eine kostenlose Version „Express-C“ zum Herunterladen — kaum die Teamgröße, in der ein solches Werkzeug seine Stärken ausspielt.

Ich finde es schade, dass IBM nicht am Erfolg von Eclipse anknüpft und sich bei Jazz für traditionelle Lizenzpolitik entschieden hat, statt den mutigeren Schritt zu gehen. Ob sich diese Entscheidung für IBM rechnet, ist schwer abzuschätzen; ich neige dazu, das nicht zu glauben. Die Chance, den Markt für Projektmanagementwerkzeuge zu revolutionieren, dürfte IBM so aber kaum wahrnehmen können. Statt dessen nur ein weiteres Produkt unter vielen. Schade eigentlich.

Surftipp: Der Procuct Owner in größeren Teams

Einen sehr schönen Beitrag zur Agile 2007 haben Mike Lowery und Marcus Evans von der BBC zum Thema „Scaling Product Ownership“ verfasst. Sie beschreiben die Schwierigkeiten, die ihr 90-köpfiges Team durchlitt, bevor es die richtige Organisation für ihren fachlich Verantwortlichen („Product Owner“) gefunden hatte. Nicht nur die Ergebnisse sind interessant; auch der Weg ist typisch für agile Teams: Ausprobieren, scheitern, anders probieren, besser scheitern und schließlich doch einen guten Weg finden. Zwanzig Leseminuten, die sich lohnen.

Scrum Gathering in München

Heute war Scrum Gathering in München, des mitterweile jährliche Treffen der Scrum-Anhänger in Deutschland. Ich bin zwar selbst kein Scrum Enthusiast (auch wenn ich gerne die ein oder eine Scrum-Praktik verwende), dennoch wollte ich die Gelegenheit nicht verpassen. Das Treffen war als Open Space organisiert und ich möchte ein paar für mich interessante Themen und Eindrücke wiedergeben.

Was mir gut gefallen hat: Ein guter Teil der Sessions beschäftigte sich weniger mit Scrumpraktiken, sondern mit allgemeiner Teambildungs- und Coachingtechnik. Besonders Hans-Peter Korn hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um lösungsbasierte Coachingansätze zu demonstrieren und vor vereinfachenden Modellen zu warnen: Teams und Projekte sind nicht kompliziert (und damit anlysierbar und steuerbar), sondern komplex (und damit weder analysierbar noch steuerbar). Sein Plädoyer: Ihr könnt komplexe Systeme beobachten, Ihr könnt versuchen, sie zu beeinflussen. Aber wenn man anfängt, Modelle einzusetzen, um sie zu analysieren, dann läuft man Gefahr, dass man nur noch das sieht, was ins Modell passt — und Wichtiges übersieht oder falsch interpretiert. Das erinnerte mich doch stark an meinen alten Artikel von 2002: „Manchmal ist mehr drin, als man glaubt – Agile Entwicklung und Emergenz“ und mein Lieblingsbuch zu dem Thema: „Emergence“ von John Holland, das sich mit komplexen Systemen beschäftigt, als Systemen, die Verhalten zeigen, das sich nicht durch Analyse erklären lässt (was nichts mit komplizierten Systemen zu tun hat: Das gute alte Life-Spiel ist ein aus drei primitiven Regeln aufgebauter zellulärer Automat, dessen komplexes Verhalten sich nicht aus den Regeln ableiten lässt!).

Bernd Schiffer stellte in einem ganz interessanten Vortrag das Tuckman Modell zur Gruppenbildung vor (Forming, Storming, Norming, Performing, Re-Performing) und diskutierte dies im Rahmen agiler Teams. Lesenswert, die Folien finden sich hier (Bernds Buchtipp: Eberhard Stahl, „Dynamik in Gruppen: Handbuch der Gruppenleitung“).

Ein Workshop zum Thema Schätzen hat bei mir den Eindruck hinterlassen, dass doch noch deutlich mehr Unsicherheit bei agiler Planung besteht, als ich dachte. Das bedeutet für mich, agiles Schätzen und Planen als nächstes in meiner „Praktiken-Serie“ anzusprechen.

Leider verpasst habe ich einen gemeinsamen Vortrag von Simon Roberts und Christian Schmidkonz, die über die Scrum-Einführung bei der Allianz bzw. SAP berichtet haben – zwei sehr spannende Vorhaben derzeit in Deutschland, die beide schon erfreulich weit gediehen sind.

Nicht ausräumen konnte ich meinen Eindruck, dass manche führenden Köpfe der Scrum Community eher Abstand zu der restlichen agilen Gemeinschaft suchen. Wir alle müssen daran arbeiten, dass hier kein Konkurrenz- oder gar Verdrängungswettbewerb gestartet wird, der nicht nur eine Menge Potenzial vergibt, sondern letztlich beide Seiten sogar schwächt, sondern dass die sehr guten Beiträge beider Seiten gewürdigt und dem gemeinsamen Ziel unterstellt werden: Softwareentwicklung besser, sicherer, wirtschaftlicher und vor allem menschlicher zu gestalten. Als kleiner Lichtblick: Einige der führenden Scrum-Leute sehen durchaus den Bedarf, gemeinsam zu agieren, so dass ich auf einen konstruktiven Dialog unter den Pragmatikern hoffe – und auf Ideen, die vor allem der gemeinsamen Sache helfen. Ich werde dazu beitragen, was ich beitragen kann.

Weitere Berichte zum Scrum Gathering:

Und dann gibt es noch die offizielle Web-Seite: http://scrumaufdeutsch.pbwiki.com/

Warum Auftraggeber agil sein sollten

Wenn ich Vorträge oder Workshops zu agilen Geschäftmodellen gebe, lautet eine meiner ersten Fragen an das Publikum „Wer von Ihnen ist eher Auftraggeber?“ Meist haben sich ein oder zwei Auftraggeber in das Publikum verirrt, der Rest stammt aus Softwarehäusern, die gerne agil arbeiten wollen, aber „nicht wissen, wie ich meinen Kunden dazu bringe“.

Das erstaunt: Es sollten eigentlich die Auftraggeber sein, die agile Entwicklung einfordern. Sie haben den wesentlichen Nutzen aus den Techniken:

  • Sie erhalten regelmäßig lauffähige Software, die bereits früh eingesetzt werden kann. Das verringert das Risiko eines Totalausfalls erheblich und bietet zudem die Chance, bereits während der Entwicklung umzusteuern
  • Sie müssen nicht alle fachlichen Inhalte ganz am Anfang festlegen, sondern können sich Optionen offen lassen, bis die Entwicklung an dieser Stelle angekommen ist
  • Fachliche Diskussionen laufen am konkreten Beispiel. Ihre Fachexperten müssen nicht in abstrakten Methoden geschult werden, um eingesetzt werden zu können
  • Das Controlling ist wesentlich verbessert: Statt vieler grüner Ampeln, die acht Wochen vor Systemstart „überraschender Weise“ auf rot schalten, wird Fortschritt in abgenommener Funktionalität gemessen – ein wesentlich zuverlässigeres Maß
  • Sie erhalten die aus Ihrer Sicht wichtigsten Teile zuerst und behalten über die gesamte Laufzeit die Kontrolle über das, was als nächstes angegangen wird
  • Sie können das Projekt beenden, wenn Sie feststellen, dass die bisher erreichte Funktionalität ausreicht; nicht erst, wenn alles implementiert ist, was Sie sich zu Anfang einmal ausgedacht haben. Das kann die Kosten schon mal um 60 oder 80 Prozent reduzieren

Warum sind dennoch eher wenige Auftraggeber an agile Konzepten interessiert? Ich denke, da kommen verschiedene Gründe zusammen:

  • Die Macht der Gewohnheit führt dazu, dass sich viele Auftraggeber längst mit Prozessen arrangiert haben, die sie eher knebeln, als ihnen die nötige Freiheit zu geben. Die internen Strukturen sind an Werkverträge zum Festpreis angepasst. Andere Formen benötigten andere Strukturen, die erst aufgebaut werden müssten
  • Die Vorstellung, Individualsoftware sei als „Gewerk“ behandelbar, das einmal spezifiziert nach definierter Zeit „frei Bordsteinkante“ geliefert wird, hält sich hartnäckig vor allem unter fachfremden Entscheidern, wie Juristen und Betriebswirtschaftlern. Hier ist es uns noch nicht gelungen, das notwendige Problembewusstsein zu schaffen. Zudem fehlen bisher Standard-Vertragsmodelle, um agile Entwicklung abzudecken — auch wenn es durchaus vielversprechende Ansätze gibt
  • Gängige Risikobewertungen unterschätzen häufig die enorme Kosten, die von scheiternden strategischen Projekten ausgehen ebenso, wie die Wahrscheinlichkeit, dass der GAU eintritt. Zur Risikoabwehr werden Vertragsklauseln bemüht. Das verkennt, dass solche Klauseln höchstens die direkten Kosten auf den Vertragspartner abwälzen — kein Trost, wenn man selbst wegen Softwareproblemen Konkurs geht oder man den Vertragspartner schon mit einem Bruchteil des Schadens ruinieren würde
  • Agile Entwicklung verlangt Entscheidungsfähigkeit auf Seite des Auftraggebers. Nicht jede Organisation kann das gewährleisten
  • Last but not least: Wir haben bisher versäumt, auch nicht-technischen Auftraggebern die Ideen agiler Entwicklung nahe zu bringen.

Fazit: Agile Entwicklung ist vor allem für die Auftraggeber interessant, denen am Erfolg ihres Auftrages gelegen ist. Dann lassen sich auch organisatorische Hürden schleifen und Vertragsmodelle gestalten, die die benötigte Flexibilität aufweisen ohne beide Seiten unnötig einzuschränken.

Refactoring-Seminar in München am 21./22.7.

Die Aufbauarbeiten am OBJEKTspektrum haben ihre Spuren hinterlassen: Der Blog musste ein wenig ruhen und wird erst jetzt wieder langsam aufgeweckt:

Am 21./22. Juli (Mo/Di) halte ich in München gemeinsam mit SIGS Datacom das Seminar „Refactoring in der Praxis oder Die Kunst schmerzfreier Änderungen„. Die Teilnehmer werden in dem Seminar ein Stück völlig unlesbaren Codes Schritt für Schritt so weit refaktorisieren, dass eine erste Architektur entsteht. Die dabei angewendeten Strategien arbeiten wir natürlich auch sauber auf und unterfüttern sie mit allem, was man braucht, um sie im Projekt anzuwenden und um sich selbst weiter einzuarbeiten.

Technisch arbeiten wir in Java auf Eclipse, es sind aber keine tiefen Java-Kenntnisse erforderlich. Die Strategien lassen sich ohne weiteres auch auf C# oder C++ abbilden – allerdings leider mit unterschiedlich großem manuellem Aufwand. Bei Bedarf sprechen wir auch über die spezifischen Probleme in diesen beiden Sprachen.

Die Teilnehmer des letzten Durchgangs haben den Kurs mit einer glatten Eins bewertet.

Anmelden können Sie sich über http://www.sigs-datacom.de/sd/seminare/evt_seminar_show.htm?&TABLE=sd_product&PID=1087

Gedanken zur Telekom-Affäre

„Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.“ Mit diesem Totschlagargument werden Verfechter des Datenschutzes zu gerne abgespeist und subtil als Unterstützter von Terroristen und Kinderpornographen diffamiert.

Schneller als selbst von den größten Pessimisten erwartet, demonstriert die Deutsche Telekom nun, was von diesem Satz zu halten ist: Wenn auch nur ein Bruchteil der Vorwürfe zutreffen, über die der SPIEGEL diese Woche berichtet hat, ist das der GAU der Vorratsdatenspeicherung. Sollte die Telekom tatsächlich Verbindungsdaten aus dem öffentlichen Netz für ihre wirtschaftlichen Ziele missbraucht haben, wäre das wohl nur noch von einer staatlichen Bespitzelungsaffäre a la Watergate zu überbieten.

Wieder einmal zeigt sich, dass Daten, die gesammelt werden, auch missbraucht werden. Die vorgesehene Geldstrafe von bis zu 500.000 Euro ist für einen Telekommunikationskonzern ein Strafzettel wegen Falschparkens. Ich hoffe, dass es der Staatsanwaltschaft gelingt, auch persönliche Schuld nachzuweisen.

Als Trost bliebt uns noch das Bundesverfassungsgericht. Die Affäre dürfte die Position der Überwachungsfreunde vor Gericht kaum gestärkt haben. Welche Konsequenzen wären jetzt nötig?

Erstens muss die Sammelwut eingedämmt werden. Privatwirtschaftlich erhobene Daten müssen strengen Verwendungsrichtlinien unterliegen, deren Verletzung empfindliche Strafen nach sich zieht – bis hin zum Lizenzentzug.

Zweitens muss die staatlich erzwungene Datensammlung gestoppt werden. Wer Unternehmen zwingt, Datenbasen aufzbauen, gegen die das Stasiarchiv blass wirkt, muss sich nicht wundern, wenn dort auch hineingelinst wird.

Und drittens muss jede(r) Einzelne Datenschutz wieder als eine der Grundlagen unserer Demokratie begreifen und entsprechend handeln.

Aber noch dürfte das Wunschdenken sein. Oder haben Sie vielleicht etwas zu verbergen?