Karlruhe stoppt NRW-Trojaner

Es gibt es also doch noch: Das Verfassungsorgan, das Grundrechte und Privatsphäre nicht nur als lästige Behinderung sieht, sondern ihre Rolle als Fundament unserer Gesellschaft respektiert. Leider sitzen diese Protagonisten nicht (auch) in der Exekutive und einer manchmal erstaunlich willfährigen Legislative, sondern nur noch in der Judikative.

Das Meiste zu dieser aktuellen Entscheidung des Verfassungsgerichts ist bereits geschrieben worden. Spannend ist meines Erachtens noch der Absatz 281 des Urteils. Dort heißt es:

Die gesetzliche Regelung hat darauf hinzuwirken, dass die Erhebung kernbereichsrelevanter Daten soweit wie informationstechnisch und ermittlungstechnisch möglich unterbleibt […] Gibt es im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine bestimmte Datenerhebung den Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren wird, so hat sie grundsätzlich zu unterbleiben.

Ich bin nur juristischer Laie, hoffe aber, dass das Gericht hier bereits seine Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung vorbereitet hat: Stellt es fest, dass Daten wie Aufenthaltsort und Web-Verbindungen den „Kernbereich der Lebensführung“ betreffen – woran ich keinen Zweifel habe -, so ist die größte Spitzelaktion seit der Stasi Geschichte.

Das heutige Urteil hat das Vertrauen in unsere Demokratie einmal wieder gestärkt, das von populistischen Politikern in letzter Zeit arg gebeutelt wurde. Es wird nun Zeit, auch über Rücktritte nachzudenken.

PS: Sehr lesenswert ist auch die Pressemitteilung des Verfassungsgerichts zu dem Urteil!

Eigentlich bin ich fertig…

…ich muss nur noch…

Das ist eine meiner Lieblingsfloskeln in Standup Meetings. Was wollen uns diese Worte sagen? Eigentlich kann man „eigentlich“ (fast) immer durch „nicht“ ersetzen. Der Kollege ist halt noch nicht fertig, möchte das aber nicht in dieser Klarheit sagen. Warum eigentlich nicht? Um dem Team klare Kommunikation zu erleichtern, übersetze ich eine solche Aussage meistens: „Ich bin nicht fertig, weil ich noch…“.

Das ist ehrlicher sich selbst gegenüber und dem Team gegenüber. Und es zeigt klar, wo eventuelle Probleme liegen statt es hinter vernebelndem Wortgeklingel zu verstecken.

Die Planung in der Tasche haben

Ein immer wiederkehrendes Problem bei agiler Planung ist die Menge an Karten, mit denen man jonglieren muss. In einem Monat sind vielleicht zehn, fünfzehn oder mehr Stories geplant, zu einer Story können leicht fünf oder sechs Aufgaben entstehen und der Platz auf einer Pinwand ist beschränkt.

Eine nette Lösung für das Problem hat Johannes Stark entwickelt, der in einem von mir betreuten Team mitarbeitet:

Tasche für die Planung Aus transparenten Hüllen und ein wenig Klebeband werden Taschen gebastelt, in welche die Karten für die User Story und alle noch ungeplanten Aufgaben gesteckt werden. Die Taschen hängen in der Reihenfolge ihrer Priorität an der Pinwand. Zur Wochenplanung werden dann die Aufgaben nach der Reihenfolge ihrer Priorität aus den Taschen genommen und auf eine zweite Pinwand gehängt, bis die Wasserlinie erreicht ist. Überzählige Aufgaben wandern wieder zurück in die Taschen.

Fallen unter der Woche neue Aufgaben an, so werden sie in die Taschen der zugehörigen User Story gesteckt und bei der nächsten Wochenplanung berücksichtigt. Ist eine Tasche leer und die Aufgaben abgearbeitet, so ist die User Story erledigt – vorausgesetzt natürlich, die Tests laufen.

Sieben Jahre Agiles Manifest

Diese Woche hat sich die Formulierung des agilen Manifests zum siebten Mal gejährt: Zwischen dem 11. und 13.2.2001 trafen sich 17 Protagonisten der nordamerikanischen agilen Szene – damals noch unter dem Schlagwort „Lightweight Processes“ bekannt – um sich über Gemeinsamkeiten und Konflikte auszutauschen. Unter Ihnen Kent Beck, Ward Cunningham, Martin Fowler, Ken Schwaber, Dave Thomas, Jim Highsmith und Brian Marick.

Was als private Veranstaltung geplant war, entpuppte sich zum Startschuss einer Bewegung, deren Einfluss auf unsere Branche bis heute nicht abschätzbar ist. Nach aktuellen Untersuchung arbeiten heute bis zu 50% der amerikanischen Unternehmen ganz oder teilweise mit agilen Verfahren, in Deutschland lag die Quote im letzten Jahr bei 16% – Tendenz zunehmend. Wenige andere Ideen haben unsere Branche so tiefgreifend verändert.

Das agile Manifest ist vereinfachend und polarisierend und zieht daraus seine Macht. „Wenn Du Werte beschreiben willst, geht das nur, wenn Du sagst, was Du im Konfliktfall statt ihrer opfern würdest,“ hat mir Martin Fowler einmal vor ein paar Jahren erklärt. „Sonst bieten die Werte keine Handlungshilfe und Du landest dabei, dass es schön wäre, wenn wir uns alle lieb hätten.“ Das Manifest polarisiert also, weil es eine Entscheidungshilfe im Konfliktfall sein soll. Aber die Polarisierung schützt auch vor Mitläufern, die sich um die Gedanken hinter agiler Entwicklung nicht scheren, sondern nur mit dem nächsten Hype schnelles Geld machen wollen. Es ist ein wichtiger Verdienst der agilen Bewegung, solche Tendenzen bisher weitgehend marginalisiert zu haben.

Heute haben sich manche der damaligen Protagonisten zurück gezogen. Das Erbe des agilen Manifests wird von der Agile Alliance Non-Profit Organization (AANPO) „verwaltet“, die sich nach wie vor bemüht, unterschiedliche Bestrebungen konstruktiv zusammen zu halten. Ich erinnere mich noch gut an die vielen zum Teil sehr emotionalen Telefonate während meiner Zeit im Vorstand der AANPO, als ich dazu auserkoren worden war, den Tendenzen zur Zersplitterung der Konferenzlandschaft entgegen zu arbeiten; ein Vorhaben, das schließlich zur Gründung der Agile Konferenzen geführt hat. Auch der heutige Vorstand leistet viel unbezahlte Hintergrundarbeit, um die agile Bewegung trotz aller fruchtbaren Unterschiede zusammen zu halten.

Ich persönlich glaube, dass wir in zwanzig Jahren agile Entwicklung betrachten werden, wie heute strukturierte Programmierung: Man redet nicht darüber, man macht es einfach, weil es Stand der Kunst ist.

Wir werden sehen…

Veröffentlicht unter Agilit

Seminar Refaktorisieren in München

Am 5. und 6. März gebe ich in Zusammenarbeit mit SIGS Datacom ein zweitägiges Seminar zu Refaktorisieren in München. Nach einer wirklich kurzen Einführung können Sie in dem Seminar erleben, wie Sie mit Hilfe kleinster, sicherer Schritte zunächst völlig unverständlichem Code in eine lesbare Variante umformen, um sie dann in Richtung einer neuen Architektur weiter zu entwickeln. Natürlich werden wir auch mögliche Rollen von Refaktorisieren im Projekt diskutieren, emergente Archtiekturen ansprechen und bei Bedarf ein wenig Richtung testgetriebene Entwicklung schauen.

Im Gegensatz zu manchen anderen Seminaren zum Refaktorisieren werde ich keine drögen Transformationskapitel abarbeiten, sondern lege Wert darauf, dass die Teilnehmer Strategien des Refaktorisierens verstehen und eintrainieren. Das macht nicht nur mehr Spaß, sondern bildet vor allem das Rüstzeug für die eigene Weiterbildung.

Zielgruppe sind Entwickler, Architekten und Projektleiter. Ein paar Grundkenntnisse mit Java und Eclipse sind hilfreich und Sie sollten keine Angst vor dem Programmieren haben. Sie brauchen Sie einen Laptop mit Windows XP (oder einer Windows XP VM), die restliche Software erhalten Sie während des Seminars. Anmelden können Sie sich auf der Semniarseite von SIGS Datacom.