Gunter Dueck über den Stand der Kunst

Gunter Dueck hat an seinen neuesten News das folgende PS angehängt:

Der Homo Oec. soll als nächstes in Koreanisch erscheinen. Ich war verwundert. Warum gerade…? Antwort: Die Koreaner sind „immer“ die ersten mit dem Übersetzen, weil die Fachleute dort einfach immer genau den state-of-the-art wissen wollen. Sehen Sie die Unterschiede zu den neuen Kulturen?

Dueck legt hier meiner Ansicht nach den Finger in eine unserer gefährlichsten Wunden: Es ist nicht Teil unserer Kultur, immer vorne dabei sein zu wollen, sich immer auf dem Stand der Kunst zu sein. Statt dessen verfolgt jede Generation das jeweilige Dogma ihrer Jugend bis zur Rente – oder Emeritierung. Das hat sein gutes, weil es viel Zeit lässt, die Dinge wirklich zu verstehen. Das Problem ist dabei nur die mangelnde Selbstkritik, die es anderen erlaubt, uns zu überholen. Der Dogmatismus, der sich wirksam darum kümmert, dass die Jüngeren einen nicht überholen. Und der simple Umstand, dass wir so unsere führende Position am Weltmarkt verspielen, auf der unser Wohlstand und der unserer Kinder aufbaut.

Erinnern Sie mich bitte an diesen Blog-Eintrag, wenn ich im Jahre 2031 meinen Beitrag „Agile Entwicklung — Warum wir damals schon Recht hatten und alles neuere Mist ist“ einreiche…

Gedanken zur Telekom-Affäre

„Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.“ Mit diesem Totschlagargument werden Verfechter des Datenschutzes zu gerne abgespeist und subtil als Unterstützter von Terroristen und Kinderpornographen diffamiert.

Schneller als selbst von den größten Pessimisten erwartet, demonstriert die Deutsche Telekom nun, was von diesem Satz zu halten ist: Wenn auch nur ein Bruchteil der Vorwürfe zutreffen, über die der SPIEGEL diese Woche berichtet hat, ist das der GAU der Vorratsdatenspeicherung. Sollte die Telekom tatsächlich Verbindungsdaten aus dem öffentlichen Netz für ihre wirtschaftlichen Ziele missbraucht haben, wäre das wohl nur noch von einer staatlichen Bespitzelungsaffäre a la Watergate zu überbieten.

Wieder einmal zeigt sich, dass Daten, die gesammelt werden, auch missbraucht werden. Die vorgesehene Geldstrafe von bis zu 500.000 Euro ist für einen Telekommunikationskonzern ein Strafzettel wegen Falschparkens. Ich hoffe, dass es der Staatsanwaltschaft gelingt, auch persönliche Schuld nachzuweisen.

Als Trost bliebt uns noch das Bundesverfassungsgericht. Die Affäre dürfte die Position der Überwachungsfreunde vor Gericht kaum gestärkt haben. Welche Konsequenzen wären jetzt nötig?

Erstens muss die Sammelwut eingedämmt werden. Privatwirtschaftlich erhobene Daten müssen strengen Verwendungsrichtlinien unterliegen, deren Verletzung empfindliche Strafen nach sich zieht – bis hin zum Lizenzentzug.

Zweitens muss die staatlich erzwungene Datensammlung gestoppt werden. Wer Unternehmen zwingt, Datenbasen aufzbauen, gegen die das Stasiarchiv blass wirkt, muss sich nicht wundern, wenn dort auch hineingelinst wird.

Und drittens muss jede(r) Einzelne Datenschutz wieder als eine der Grundlagen unserer Demokratie begreifen und entsprechend handeln.

Aber noch dürfte das Wunschdenken sein. Oder haben Sie vielleicht etwas zu verbergen?

Karlruhe stoppt NRW-Trojaner

Es gibt es also doch noch: Das Verfassungsorgan, das Grundrechte und Privatsphäre nicht nur als lästige Behinderung sieht, sondern ihre Rolle als Fundament unserer Gesellschaft respektiert. Leider sitzen diese Protagonisten nicht (auch) in der Exekutive und einer manchmal erstaunlich willfährigen Legislative, sondern nur noch in der Judikative.

Das Meiste zu dieser aktuellen Entscheidung des Verfassungsgerichts ist bereits geschrieben worden. Spannend ist meines Erachtens noch der Absatz 281 des Urteils. Dort heißt es:

Die gesetzliche Regelung hat darauf hinzuwirken, dass die Erhebung kernbereichsrelevanter Daten soweit wie informationstechnisch und ermittlungstechnisch möglich unterbleibt […] Gibt es im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine bestimmte Datenerhebung den Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren wird, so hat sie grundsätzlich zu unterbleiben.

Ich bin nur juristischer Laie, hoffe aber, dass das Gericht hier bereits seine Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung vorbereitet hat: Stellt es fest, dass Daten wie Aufenthaltsort und Web-Verbindungen den „Kernbereich der Lebensführung“ betreffen – woran ich keinen Zweifel habe -, so ist die größte Spitzelaktion seit der Stasi Geschichte.

Das heutige Urteil hat das Vertrauen in unsere Demokratie einmal wieder gestärkt, das von populistischen Politikern in letzter Zeit arg gebeutelt wurde. Es wird nun Zeit, auch über Rücktritte nachzudenken.

PS: Sehr lesenswert ist auch die Pressemitteilung des Verfassungsgerichts zu dem Urteil!

Gedanken beim Zeitunglesen

„Bügerrechte [gibt es] nur, wenn sie [den Staat] nicht gefährden“. Dieser Satz stammt nicht von unserem Innenminister, sondern aus einem Kommentar von Kurt Kister in der Süddeutschen Zeitung vom 4. Dezember 2007 und bezieht sich auf den Wahlbetrug bei den russischen Dumawahlen.

„Alle grundrechtlich geschützten Bereiche enden irgendwo“. Dieser Satz stammt tatsächlich von unserem Innenminister aus einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ am 20. Januar 2008 (zitiert nach der SZ vom 21.1.2008, Seite 1).

Mich stimmt diese Ähnlichkeit sehr nachdenklich.

Vorratsdatenspeicherung: Noch vier Tage Zeit für Verfassungsbeschwerde

Am 24.12. (Datum des Poststempels!) läuft die Frist aus, um sich an der Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung zu beteiligen. Nach aktuellem Stand beteiligen sich bereits über 68.000 Personen. Nähere Informationen und die notwendigen Formulare gibt es unter http://www.vorratsdatenspeicherung.de (Siehe auch meinen Eintrag vom 27.11.2007)

Epitaph auf die bayerische Wirtshauskultur

Nun ist er also besiegelt, der Untergang der bayerischen Wirtshauskultur: Gestern hat der bayerische Landtag mit 140 von 166 Stimmen ein weitgehendes Rauchverbot u.a. in bayerischen Wirtshäuser beschlossen (für Nicht-Bayern: Eine derartig große Mehrheit schafft auch hier die CSU nicht alleine). Der eigens von Gastwirten gegründete „Verein zur Erhaltung der bayerischen Wirtshauskultur“ [sic!] hatte zuvor in einer Unterschriftenaktion der CSU schon mit der Höchststrafe gedroht, sollte das Gesetz verabschiedet werden: Der Entzug von Stimmen bei der nächsten Wahl. Die Abstimmung im Landtag lässt also doppelt Hoffnung aufkommen für den Freistaat.

Was die Wirtshauskultur angeht: Die wird offensichtlich nur von Rauchern getragen, welche sich nun scheinbar schmollend zurückziehen, so die Wirte, nie wieder unter die Menschen gehen und einsam auf ihrer Couch dem Ende Ihres Raucherlebens entgegenqualmen. Zwar bin ich als genetischer Nur-Achtel-Bayer nicht berufen, mich in diese Angelegenheiten einzumischen. Als Nichtraucher werde ich jedoch mit Freude in Zukunft auch in solche Lokale gehen, die ich bisher wegen der schlechten Luft gemieden habe; gerne auch in Begleitung meiner Freunde, die (noch) unter Nikotinsucht leiden.

Übrigens pflegen auch nicht-rauchende Achtel-Bayern, ihre Rechnungen zu bezahlen. Ich mag zwar keinen wesentlichen Beitrag zur bayerischen Wirtshauskultur leisten, aber wie sagten schon die alten Römer: Pecuniam non olet, nun auch nicht mal mehr nach Rauch.

Über meine Signatur

Nachdem ich immer wieder auf das Michael Stipe Zitat in meiner E-Mail Signatur angesprochen werde („I don’t believe and never did, that two wrongs make a right“), hier ein paar Hintergründe über das Zitat und warum ich es verwende: Die Zeile stammt aus dem Lied „The Final Straw“ von der CD „Around the Sun“ (2004). Der Song wurde wenige Tage nach dem Beginn des zweiten Golfkriegs von R.E.M. im eigenen Studio aufgenommen und sofort auf die Homepage gestellt – als Protest gegen den Krieg und gegen Bush. Den vollständigen Text findet man z.B. unter http://www.azlyrics.com/lyrics/rem/finalstraw.html.

Ich habe mich damals spontan entschieden, die Zeile in meine Signatur zu übernehmen. Neben dem Protest war mir wichtig, eine amerikanische Stimme sprechen zu lassen, stellvertretend für all meine Freunde und Kollegen in den USA, die ähnlich denken, wie Stipe. Und die wie die meisten Deutschen die Tage zählen, bis der Spuk vorbei ist.

Daten sammeln und Daten verlieren

Gestern ging die Meldung durch die Zeitungen, den britischen Steuerbehörden seien wieder einmal sechs CDs mit persönlichen Daten von Steuerpflichtigen abhanden gekommen. Schon letzte Woche war gemeldet worden, dass zwei CDs mit den persönlichen Daten aller Kindergeldempfänger in Großbritannien verloren gegangen sind – inklusive Bankverbindungen und der Social Security Number, der in angelsächsischen Ländern allgegenwärtigen Identifikationsnummer. Betrüger und Kriminelle können mit diesen Daten weitreichenden Schaden anrichten, vermutlich bis hin zu unberechtigten Zugriffen auf die Konten der Betroffenen.

Bei der derzeitigen Datensammelwut der Behörden möchte man sich gar nicht ausmalen, wie solche Meldungen in Zukunft aussehen: „DVDs mit sämtlichen Surfdaten der Stadt verloren gegangen“ – „Richter wegen Seitensprungs erpresst – gestohlene Handydaten wurden ihm zum Verhängnis“ – „Ausländischer Geheimdienst erpresst Politiker nach Besuch auf schwulen Webseiten“.

Eine Grundregel des Datenschutzes besagt, sowenig Daten zu erfassen, wie möglich. Die aktuellen Pläne von Bundesregierung und EU Kommission sprechen dieser Regel Hohn. Die Rundumerfassung des elektronischen Kommunikationsverhaltens (Vorratsdatenspeicherung für 6 Monate), des Reiseverhaltens (Flugdatenerfassung von Reisen in und aus der EU für voraussichtlich 12 Jahre) und möglicherweise auch des Straßenverkehrs (elektronische Erfassung der Fahrzeugkennzeichen) gefährden unseren Rechtsstaat, unsere Demokratie und letztlich unsere Gesellschaftsordnung. Sie vollendet das, was weder die RAF noch islamistische Terroristen vermocht haben: Die Errungenschaften der letzten 60 Jahre zu zerstören. Daher schließe ich mich auch der Verfassungsbeschwerde des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung an.