Crystal in einem Satz

Alistair Cockburn fasst die Essenz der Crystal Methoden in seinem Blog-Eintrag „Crystal is about Self-Awareness“ sehr schön zusammen:

  • Scrum is about self-organization
  • XP is about self-discipline
  • Crystal is about self-awareness

Vielleicht kommt es daher, dass sich viele Anfänger zunächst auf Rezeptverfahren wie Scrum und XP (Version 1.0) stürzen: Konzepte der Selbst-Erkenntnis sind sperrig und benötigen mehr Erfahrung, als klare Kochrezepte. „Crystal ist für Fortgeschrittene“ sagt Alistair auch deutlich.

Die Rezepte sind ein guter Start. Über kurz oder lang fällt aber eine Entscheidung: Bleibt man auf Rezeptniveau, indem man über Prozesse und Praktiken streitet, dann kann man die Einführung agiler Verfahren irgendwann als gescheitert betrachten. Oder übernimmt das Team irgendwann über Retrospektiven die Kontrolle und beginnt, den Prozess als Arbeitsmittel selbst zu gestalten. Dann ist man im wesentlichen bei Crystal gelandet bzw. hat den Schritt nachvollzogen, den XP beim Übergang auf Version 2.0 gemacht hat.

Surftipp: Der Procuct Owner in größeren Teams

Einen sehr schönen Beitrag zur Agile 2007 haben Mike Lowery und Marcus Evans von der BBC zum Thema „Scaling Product Ownership“ verfasst. Sie beschreiben die Schwierigkeiten, die ihr 90-köpfiges Team durchlitt, bevor es die richtige Organisation für ihren fachlich Verantwortlichen („Product Owner“) gefunden hatte. Nicht nur die Ergebnisse sind interessant; auch der Weg ist typisch für agile Teams: Ausprobieren, scheitern, anders probieren, besser scheitern und schließlich doch einen guten Weg finden. Zwanzig Leseminuten, die sich lohnen.

Scrum Gathering in München

Heute war Scrum Gathering in München, des mitterweile jährliche Treffen der Scrum-Anhänger in Deutschland. Ich bin zwar selbst kein Scrum Enthusiast (auch wenn ich gerne die ein oder eine Scrum-Praktik verwende), dennoch wollte ich die Gelegenheit nicht verpassen. Das Treffen war als Open Space organisiert und ich möchte ein paar für mich interessante Themen und Eindrücke wiedergeben.

Was mir gut gefallen hat: Ein guter Teil der Sessions beschäftigte sich weniger mit Scrumpraktiken, sondern mit allgemeiner Teambildungs- und Coachingtechnik. Besonders Hans-Peter Korn hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um lösungsbasierte Coachingansätze zu demonstrieren und vor vereinfachenden Modellen zu warnen: Teams und Projekte sind nicht kompliziert (und damit anlysierbar und steuerbar), sondern komplex (und damit weder analysierbar noch steuerbar). Sein Plädoyer: Ihr könnt komplexe Systeme beobachten, Ihr könnt versuchen, sie zu beeinflussen. Aber wenn man anfängt, Modelle einzusetzen, um sie zu analysieren, dann läuft man Gefahr, dass man nur noch das sieht, was ins Modell passt — und Wichtiges übersieht oder falsch interpretiert. Das erinnerte mich doch stark an meinen alten Artikel von 2002: „Manchmal ist mehr drin, als man glaubt – Agile Entwicklung und Emergenz“ und mein Lieblingsbuch zu dem Thema: „Emergence“ von John Holland, das sich mit komplexen Systemen beschäftigt, als Systemen, die Verhalten zeigen, das sich nicht durch Analyse erklären lässt (was nichts mit komplizierten Systemen zu tun hat: Das gute alte Life-Spiel ist ein aus drei primitiven Regeln aufgebauter zellulärer Automat, dessen komplexes Verhalten sich nicht aus den Regeln ableiten lässt!).

Bernd Schiffer stellte in einem ganz interessanten Vortrag das Tuckman Modell zur Gruppenbildung vor (Forming, Storming, Norming, Performing, Re-Performing) und diskutierte dies im Rahmen agiler Teams. Lesenswert, die Folien finden sich hier (Bernds Buchtipp: Eberhard Stahl, „Dynamik in Gruppen: Handbuch der Gruppenleitung“).

Ein Workshop zum Thema Schätzen hat bei mir den Eindruck hinterlassen, dass doch noch deutlich mehr Unsicherheit bei agiler Planung besteht, als ich dachte. Das bedeutet für mich, agiles Schätzen und Planen als nächstes in meiner „Praktiken-Serie“ anzusprechen.

Leider verpasst habe ich einen gemeinsamen Vortrag von Simon Roberts und Christian Schmidkonz, die über die Scrum-Einführung bei der Allianz bzw. SAP berichtet haben – zwei sehr spannende Vorhaben derzeit in Deutschland, die beide schon erfreulich weit gediehen sind.

Nicht ausräumen konnte ich meinen Eindruck, dass manche führenden Köpfe der Scrum Community eher Abstand zu der restlichen agilen Gemeinschaft suchen. Wir alle müssen daran arbeiten, dass hier kein Konkurrenz- oder gar Verdrängungswettbewerb gestartet wird, der nicht nur eine Menge Potenzial vergibt, sondern letztlich beide Seiten sogar schwächt, sondern dass die sehr guten Beiträge beider Seiten gewürdigt und dem gemeinsamen Ziel unterstellt werden: Softwareentwicklung besser, sicherer, wirtschaftlicher und vor allem menschlicher zu gestalten. Als kleiner Lichtblick: Einige der führenden Scrum-Leute sehen durchaus den Bedarf, gemeinsam zu agieren, so dass ich auf einen konstruktiven Dialog unter den Pragmatikern hoffe – und auf Ideen, die vor allem der gemeinsamen Sache helfen. Ich werde dazu beitragen, was ich beitragen kann.

Weitere Berichte zum Scrum Gathering:

Und dann gibt es noch die offizielle Web-Seite: http://scrumaufdeutsch.pbwiki.com/

Video über Standup Meetings

Thomas Lieder hat ein schönes Video ausgegraben, in dem Stacia Broderick, Boris Gloger, Denise Vielehr, Hubert Smits, Jens Ostsergaard und Tamara Sulaiman vormachen, wie man ein Standup keinesfalls durchführen darf. Freundlicherweise haben sie die Regeln, nach denen es ablaufen sollte auch gleich mitgeliefert. Das sind 8 1/2 Minuten, die sich durchaus lohnen. Viel Spaß:

(Falls der Link bei Ihnen nicht funktioniert, gehen Sie bitte direkt auf http://www.youtube.com/watch?v=B3htbxIkzzM).