Umfrage zur Software Engineering Ausbildung

Für meine Keynote „Software Engineering heute“ auf dem Karlsruher VKSI Day habe ich gemeinsam mit dem OBJEKTspektrum eine Umfrage zur Ausbildung von Software Ingenieuren gestartet: http://www.sigs.de/survey/index.php?sid=33654&lang=de

Wir möchten sowohl von Praktikern als auch von Universitäten wissen, was sie bei Software Ingenieuren für wichtig halten und wie gut das derzeit abgedeckt wird. Die Ergebnisse gibt es dann am 22.6. in Karlsruhe „live“, im OBJEKTspektrum, vermutlich Ausgabe 5/2009 und hier auf meinem Blog.

Das Ausfüllen dauert knapp 10 Minuten, je mehr Personen daran teilnehmen, um so aussagekräftiger werden die Ergebnisse.

Die Umfrage endet am 3. Juni

Certified Scrum Developer und implizites Wissen

Die Scrum Alliance arbeitet derzeit an einem „Certified Scrum Developer“. Nun gut, das bisherige Zertifizierungsprogramm aus Scrum Master, Product Owner, Practitioner, Coach und Trainer hat nicht unwesentlich zum Markterfolg von Scrum und Agilität beigetragen; und welche Folgen es für den Ruf von Scrum und agilen Verfahren hat, wenn 50.000 Scrum „Master“ mit einer jeweils zweitägigen Schulung unterschiedlicher Qualität die Industrie stürmen, um es jetzt „richtig“ zu machen, wird die Zukunft zeigen. Warum also das Erfolgsrezept nicht auch auf Entwickler ausdehnen?

Die Antwort ist einfach: Den Schaden, den ein schlechter Entwickler anrichten kann, ist für das Projekt noch bei weitem höher, als den, den ein schlechter Scrum Master anrichten kann: Den Scrum Master tauscht man zur Not aus und muss dann das Team wieder neu aufbauen und motivieren. Das kostet Geld, Zeit und Nerven, ist aber machbar. Schlechte Entwickler aber hinterlassen ihre Hypotheken im Code, die neue Hypotheken nach sich ziehen, ähnlich wie die Verpflichtungen der HRE.

Software Entwicklung ist in hohem Maße erfahrungs-getrieben. Dies gilt insbesondere für testgetriebene Entwicklung und emergente Architekturen, wie sie im Extreme Programming eingeführt und mittlerweile von allen agilen Verfahren inklusive Scrum übernommen wurden (leider nicht immer mit den gebotenen Referenzen). Erfahrungsgetrieben bedeutet aber, dass viel erfahrungsgebundenes implizites Wissen notwendig ist. Wikipedia beschreibt dieses Wissen folgendermaßen:

„Damit ist ein Wissen gemeint, das sprachlich nicht oder kaum weitergegeben werden kann. In solchen Fällen muss der Betreffende durch eigene Erfahrung oder am Modell lernen, das ihm vorzeigt, was nicht vorgesagt werden kann. Beispiel: Wer guten Nudelteig machen möchte, kann Rezeptbücher lesen. Aber in diesen Büchern steht offenbar nicht alles, was gute Teigköche wissen, weil dies nicht vollständig verbalisierbar ist. Das Gefühl für die richtige „Nässe“ des Teigs beispielsweise erwirbt man nur durch Erfahrung.“

Sicher, gerade die Patternbewegung hat sich erhebliche Verdienste erworben, Teile dieses impliziten Wissens zu heben und explizit zu machen, aber eben nur Teile. Die Eleganz eines Designs, die Strategie eines Umbaus lässt sich ebenso wenig explizieren, wie die Struktur eines Teiges. Hier hilft nur: Üben, üben, üben, viele Erfahrungen machen. Aber auch aus den Erfahrungen anderer lernen, fremden Code ansehen, fremde Architekturen — und zwar nicht nur den Beispielcode des MSDN.

Mir ist unbegreiflich, wie sich Informatik-Professoren damit schmücken können, in ihrem Leben keine 1000 Zeilen Code geschrieben zu haben, wie Architekten stolz darauf sein können „nicht mehr zu programmieren“ (man vergebe mir, dass ich hier keine Namen nenne). Kennen Sie einen Chirurgen, der sich damit brüstet, in seinem Leben kaum mehr operiert zu haben, als drei Platzwunden zu nähen? Würden sie ihm Ihr Leben anvertrauen? Davor schützt uns zum Glück die Ärztekammer. Programmieren aber gilt als niedere Tätigkeit, die man am besten möglichst weit weg schiebt, zum Beispiel nach Indien. Diese Missachtung der Programmierkunst ist ein fataler Irrtum, wie ich denke, der unsere Volkswirtschaft Milliarden Euro jedes Jahr kostet.

Sollte der „Certified Scrum Developer“ implizites Wissen wirklich abdecken, könnte er tatsächlich eine Qualifikation transportieren. Sollte er das nicht leisten, wäre es ein weiterer Versuch, den Markt zu segmentieren in Zertifizierte und Ent-Zertifizierte. Darüber hatten Johannes Link und ich uns ja schon Gedanken gemacht. Das wäre schade, war die Agile Bewegung doch einst als innovativer Gruppenprozess gestartet.

Petition gegen geheime Internetzensur

Kontrolle und Transparenz sind zwei Grundpfeiler der Demokratie. Das gilt vor allem dann, wenn elementare Grundrechte der Bürger gefährdet sind, wie zum Beispiel beim Gewaltmonopol des Staates. Die Polizei wird von der Staatsanwaltschaft kontrolliert, die Staatsanwaltschaft von den Gerichten, die wiederum aus gutem Grund öffentlich verhandeln müssen. Wenn ich meine, eine staatliche Maßnahme beschränke meine Grundrechte, steht es mir frei dagegen zu klagen. Das ist ungefähr das, was einem in der zehnten Klasse in Sozialkunde erklärt wird. Leider scheinen einige unserer Politiker in diesen Stunden gefehlt zu haben und auch keine Chance gehabt zu haben, das bei den intensiven parteiinternen Rangkämpfen nachzuholen. „Man kann ja nicht immer mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen“, wie der Ex-CSU-Fraktionsvorsitzende einmal seine Wertschätzung für die Grundlagen unserer Gemeinschaft zusammen fasste.

Worum geht’s: Einige Beamte des LKA sollen in Zukunft geheime Listen (von was eigentlich: Domänen? URLS?) aufstellen, die an Internetprovider weiter geleitet werden. Diese nehmen die entsprechenden was auch immer aus ihren DNS-Servern. Statt dessen wird man auf ein Stop-Schild geleitet. Ist Ihre Domäne dabei? Woher sollten Sie das wissen? Sie werden ja nicht informiert! Und wen stört es schon, dass Ihre Schwester gerade mit dem zuständigen Beamten des LKA Schluss gemacht hat? Er wird ja ohnehin nicht kontrolliert!

Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, wird auch noch diskutiert, jeden direkt an die Polizei zu melden, der auf so ein Stoppschild kommt! Ein Tippfehler in der URL und morgens um 3 kommt der Sondereinsatztrupp der Polizei, beschlagnahmt sämtliche Rechner mitsamt CDs und Festplatten. Wenn Sie prominent genug sind, haben Sie Glück: Dann kommt der Trupp erst um 6 Uhr morgens, da kann das Fernsehen bessere Bilder machen. Die Rechner werden dann vom LKA gefilzt. Die gute Nachricht ist, dass Sie ja nichts zu befürchten haben! Wenn nichts gefunden wird, bekommen Sie die Geräte ja zurück — nach sechs oder zwölf Monaten und das auch nur, wenn die in der Zwischenzeit nicht irgendwo „verloren“ gegangen sind. Dass in der Zwischenzeit ein Verfahren wegen Kinderpornographie gegen Sie läuft: Was soll’s, es gilt ja die Unschuldsvermutung. Sie haben Ihr Kind im Planschbecken fotografiert? Keine Panik, der Richter wird Sie schon freisprechen! Dass Ihre Ehe dabei drauf geht und Ihnen das Sorgerecht für Ihre Kinder entzogen wird: Lässt sich doch alles wieder kitten, seien Sie doch nicht so kleinlich!

Das mag jetzt ein wenig übertrieben sein, aber es sind keinerlei Mechanismen vorgesehen, die ein solches Szenario verhindern würden – und bis auf die automatische Meldung sind alle diese Dinge schon vorgekommen. Und hilft das Ganze wenigstens? Eine DNS-Sperre zu umgehen gehört nun wirklich zu den Anfängerübungen: Man kann auf ausländische DNS-Server zugreifen, die IP-Adresse direkt eingeben oder Tor benutzen. Ich habe keinen Zweifel, dass die Mittel dagegen in einschlägigen Kreisen längst die Runde gemacht haben. Effektiver wäre es freilich, an die Produzenten heranzugehen. Aber das fordert ja echte kriminalistische Arbeit im internationalen Umfeld. Man müsste zum Beispiel wissen, was whois-Datenbanken sind und die entsprechenden Provider per Rechtshilfeersuchen angehen. Das würde zwar die Kinder wirklich schützen, würde aber Geld kosten und nicht so schöne Schlagzeilen wie „12000 Verfahren eröffnet“ ermöglichen. Für die kleinlaute Schlagzeile „Alle Verfahren ohne Anklage eingestellt“ musste man sich dann schon zu Heise.de bequemen.

Wer keine Lust hat, dass mit dem trojanischen Pferd des (Schein-)Kampfes gegen Kinderpornographie ein geheimer und nicht-kontrollierbarer Mechanismus der Internetzensur etabliert wird, kann dem jetzt bei Bundestag Ausdruck verleihen: http://zeichnemit.de/ führt zu einer Petition, die Stand heute bereits über 70.000 Personen unterzeichnet haben. Spätestens wenn die Anzahl der Unterzeichner Wählertechnisch interessant werden, könnte sich so mancher Abgeordneter überlegen, ob er oder sie mal wieder warten will, bis Karlsruhe das Gesetz wieder kippt.

Traurigerweise muss man den Zusatz auch noch bringen: Es geht nicht im mindesten darum, Kinderpornographie zu verteidigen! Es geht darum, die Kinder wirklich zu schützen — vor sexueller Ausbeutung und vor einem Staat, der die Grundlagen der Demokratie vergessen hat. Ich möchte, dass mein Sohn in Freiheit aufwächst, weil das noch immer der beste Garant für körperliche und geistige Unversehrtheit ist.

Die Ent-Zertifizierung des Fortschritts…

Die Entzertifizierung des Fortschritts…unter diesem Titel haben Johannes Link und ich uns in der aktuellen Ausgabe 03/09 des OBJEKTspektrum ein paar Gedanken über die Schattenseiten des derzeitigen Zertifizierungshypes gemacht. Wem nützen Zertifizierungen eigentlich und welche Risiken und Nebenwirkungen haben sie? Eine kleine Erinnerung, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.

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