Internetzensur: Trauriger Stand der Dinge

Microsoft hat mit „Bing“ eine neue Suchmaschine an den Start gebracht, die vor allem eines eindrucksvoll demonstriert: Auf welchem Weg wir uns derzeit bei der Internetzensur befinden! Machen Sie sich den derzeit auf Twitter kursierenden Spaß, gehen Sie auf http://www.bing.com und geben Sie das Suchwort „Strumpfhose“ ein. Wer jetzt die aufregenden Katalogseiten des Ottoversands erwartet, auf denen Babystrumpfhosen angeboten werden, dürfte vom Suchergebnis überrascht sein, denn die Suchmaschine meldet kurz und knackig: „Der Suchbegriff ‚Strumpfhose‘ führt möglicherweise zu sexuell eindeutigen Inhalten. Ändern Sie Ihre Suchbegriffe, um Ergebnisse zu erhalten.“

Ein nach moralischer Festigung durchgeführter Selbstversuch bei Google ergibt Avon als ersten Treffer, sowie einen YouTube-Film von frauTV, der sich mit dem „Leid der zwickenden Strumpfhose beschäftigt“. Nun, bevor mein Blog mit solchen Themen zum Erotikzentrum verkommt, fällt mir dazu eine Geschichte aus den USA der 50er-Jahre ein: In der düstersten Jahren der McCarthy-Ära öffnete das FBI die Post von Gynäkologen, um auf diese Weise zu verhindern, dass diese Empfehlungen zur Empfängnisverhütung an ihre Patientinnen schicken konnten. Meines Wissens stand nicht einmal damals die Erwähnung von Strumpfhosen auf dem Index!

Wer also meint, die vom Familienministerium geplanten geheimen Zensurlisten für das Internet beschränkten sich ausschließlich auf illegale Inhalte, kann sich bei Bing ein erstes Bild davon machen, wie so etwas in der Praxis aussieht. Aber wie immer gilt: „Wer nichts zu verbergen hat (und keine Strumpfhosen online kaufen möchte), hat auch nichts zu befürchten.“ Ich berichte über weitere, notwendige Ergänzungen dieses Satzes, bis auch dieser Blog wegen „sexuell eindeutiger Inhalte“ gesperrt wird — und wenn es nur deshalb ist, weil seine Inhalte sexuell eindeutig irrelevant sind.

PS: Aus der 80er-Jahre CD „Muh“ von Haindling stammt die schöne Textzeile „Nur die allerdümmsten Kälber wählen eana Metzger selber“. Ich weiß auch nicht, warum mir das gerade einfällt…

3 Gedanken zu „Internetzensur: Trauriger Stand der Dinge

  1. Bing ist echt drollig. Man bekommt die besagte Meldung anscheinend nur, wenn alle Suchbegriffe auf der Blacklist stehen. „Strumpfhose Shop“ funktioniert; „sex a“ auch und das führt durchaus zu sexuell eindeutigen Inhalten 🙂

Kommentare sind geschlossen.