Nachruf auf eine Staatspartei

Nun ist er also da, der bayerische Weltuntergang, der nach Darstellung der wahlkämpfenden CSU-Mitglieder unmittelbar auf den Verlust der absoluten Mehrheit im bayerischen Landtag folgen würde. Wie wenig die CSU verstanden hat, was ihr da passiert ist, lässt sich wunderbar aus den Stellungnahmen der verschiedenen mehr oder weniger Spitzenpolitikern ablesen. Da überwog die „Analyse“ man habe die gute Regierungsarbeit nicht an die Wähler vermitteln können – ein üblicher Euphemismus dafür, dass die Wähler eigentlich zu dumm dafür sind, das segensreiche Wirken der Staatspartei zu bewerten. Und der Vizechef der „Christlich Sozialen Arbeitnehmer“, Konrad Kobler, versteigt sich laut Süddeutscher Zeitung sogar zu der Feststellung „Die CDU-Chefin [Angela Merkel] habe die Landtagswahl mit ihrem Nein zu einer Rückkehr zur alten Pendlerpauschle ‚vermasselt'“. So einfach ist das: Wenn die CSU nur ein paar Milliarden Steuergelder mehr hätte verschenken dürfen, hätte die Wähler schon wieder fleißig gewählt, wie „man“ das halt von „anständigen Bayern“ erwartet, nämlich CSU.

Man scheint noch nicht auf die Idee gekommen zu sein, dass die Wähler die Nase schlichtweg davon voll hatten, für dämliches Stimmvieh gehalten zu werden, dass man die Zukunft der Kinder nicht weiter einem erstarrten bürokratischen Schulsystem opfern wollte und dass der an Missachtung des Parlaments grenzende Umgang mit der Opposition nur noch von Arroganz und Abgehobenheit zeugte. Wie wichtig der CSU der einzelne Wähler war, konnte ich selbst feststellen: Auf meine Anfrage an den örtlichen CSU Kandidaten Markus Blume, wie er denn als Landtagsabgeordneter seinen Einfluss auf Bundeszuständigkeiten auszuüben gedenke, um sein „Steuerkonzept“ umzusetzen („Volle Pendlerpauschale, mehr Kindergeld, niedrigere Steuern — Dafür setze ich mich ein.“), welche landespolitischen Position er denn vertrete und auf welche Art die unter dem Slogan „Mehr Netto für Alle“ angekündigten Steuergeschenke denn gegenfinanziert werden sollten, warte ich noch heute auf Antwort…

Man darf aber das Ergebnis auch nicht überinterpretieren: Vom Zusammenbruch des CSU-Nimbus haben fast ausschließlich Freie Wähler und FDP profitiert, die Stimmen sind also innerhalb des sog. „bürgerlichen Lagers“ geblieben. Bayern ist und bleibt strukturkonservativ. Eine von den Grünen in die Diskussion geworfene Viererkoalition aus Parteien und Gruppen, die durch kaum mehr zusammen zusammen gehalten wird, als dem Wunsch nach dem Ende der CSU Alleinherrschaft, hätte kaum eine Chance eine Legislaturperiode zu überleben. Und man sollte auch nicht aus den Augen verlieren, dass die Landtagsmehrheit nur eine von mehreren Stützen der CSU Herrschaft in Bayern war, wenn auch eine meistens recht bequeme. Die Durchwirkung von Verwaltung und Wirtschaft wird die CSU über viele Jahre hinaus noch zur führenden politischen Kraft in Bayern machen. Und auch die an die Grenze seriösen Journalismus‘ reichende Willfährigkeit des Bayerischen Fernsehens, die in der gestrigen Wahlberichterstattung einmal wieder zur Schau gestellt wurde, wird uns noch lange erhalten bleiben. Aber die Demokratisierung Bayerns und hoffentlich auch die der CSU hat ja gerade erst begonnen.

Übrigens lässt sich der Weltuntergang zumindest in München ganz gut an: Strahlender Sonnenschein lässt an der bisher nie hinterfragten Höchsten Unterstützung für die Staatspartei zweifeln. Kann es sein, dass der Weltuntergang nur für jene stattfindet, deren Horizont nur bis zu den Grenzen ihrer Partei geht?