Kommen Projekte ohne Architektur aus?

Ich höre immer wieder den Vorwurf an Teams, die mit XP arbeiten, sie hätten „keine Architektur“. Das halte ich für eine fundamentale Fehlinterpretation des Begriffs „Architektur“. Jedes Programm hat eine Architektur. Die mag adäquat sein, oder nicht, sie mag explizit dokumentiert sein, durch Tests abgesichert sein, oder unbewusst entstanden. Aber immer gibt es eine Architektur.

Die Vorstellung, man müsse eine Architektur explizit vor Beginn der Realisierung dokumentieren, damit sie kontrollierbar bleibe, halte ich ebenfalls für falsch. Ich habe viele Architekturdokumentationen erlebt, die zwar nett aussahen, mit der realen Architektur aber höchstens noch rudimentäre Ähnlichkeit besaßen. Umgekehrt habe ich exzellente Architekturen erlebt, die nirgends explizit dokumentiert waren. Sie waren höchstens durch Unit Tests und Mockobjekte abgesichert.

Wenn es um den wirtschaftlichen Nutzen einer Architektur geht, zählt die reale Architektur im Code. „Architekturen“, die nur auf der virtuellen Powerpointmaschine existieren und nichts mit dem real existierenden Code zu tun haben, sind wertlos. Ich habe eindrucksvolle und gut funktionierende Architekturen gesehen, die in traditioneller Technik zu Projektbeginn entworfen wurden. Gerade in XP Projekten entstehen aber auch immer wieder ausgezeichnete Architekturen ohne den großen ersten Wurf.